Das Alevitentum ist eine humanistische Lehre. Die Gleichstellung der Geschlechter, Naturverbundenheit, Toleranz, Weltoffenheit, Bescheidenheit und Hilfsbereitschaft sind Kernelemente des alevitischen Glaubens. Das Alevitentum als zeitgenössischer „Weg“ (türk. Yol, kurdisch rê) steht stets auch im Einklang mit den Erkenntnissen der Wissenschaft.
Im Zentrum der alevitischen Lehre steht der Mensch, da in jedem Menschen und dem Kosmos die „göttliche Wahrheit“ verborgen liegt. Der tiefsinnige humanistische Kern dieses Glaubens wird in den Worten des Gelehrten Hünkar Bektas Veli (13. Jh.) deutlich, wenn er schreibt: „Andere haben die Kaaba, meine Kaaba ist der Mensch, sowohl Erschaffender, als auch Erlöser, ist der Mensch, die Menschheit selbst.“ Weil für die eigenständige Religionsgemeinschaft der Aleviten alles göttlich ist, kann „Gott“ in der gesamten Natur und im eigenen Selbst aufgespürt werden. Der Aschiq (Liebende) Daimi schreibt: „Ich bin der Spiegel des Universums, wenn ich doch ein Mensch bin. Ich bin der Ozean der Wahrheit (Wirklichkeit), wenn ich doch ein Mensch bin.“ Man spricht von einem Glauben der Befreiung und Freiheit. So ist Selbstbefreiung u. a. durch Wissensaneignung möglich. Das Alevitentum ist zudem ein Glaube der Liebe und des Herzens. Dieses Merkmal lässt sich wie folgt zusammenfassen: Unsere Religion ist die Liebe und unser heiliges Buch der Mensch. Die Aleviten erachten alle Völker als gleichwertig und setzen sich in ihrer historischen Tradition für die Unterdrückten und Schwachen ein.